Haben Sie eine außergewöhnliche Reise gemacht? Wollen Sie Ihre Erfahrungen mit anderen teilen? Schreiben Sie uns.

         
   
w
spacer
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 



Unentdeckte Kanaren
Zu Fuß durch die Kanarische Inselwelt

laif-Fotograf und Geschichtenerzähler André Schumacher arbeitet zur Zeit an einem neuen Projekt: eine Reportage über die Kanaren, die er von Ost nach West zu Fuß durchgehen wird. Von Lanzarote bis nach El Hierro. Sechs Monate lang. Mit einer Decke, einer Kamera und einem Würfel. Offen für alles und ganz im Sinne Henry Millers, der einmal sagte: „Leben ist das, was uns zustößt, während wir uns etwas ganz anderes vorgenommen haben.“
Von der Reise berichtet André Schumacher ab Januar 2014 in einer neuen Film- und Fotoshow – und schon jetzt auf ADVENTURE-magazin.de und auf seiner Webseite: www.poletopole.de/kanaren

 
Tropical und die Riesengurke
Tropical und die Riesengurke
Die folgende Geschichte hat sich in Betancuria zugetragen. Zumindest erklärte das vieles. Denn in den Morgenstunden jenes Tages bin ich durch die ausgedörrte Ebene der Empfängnis in südlicher Richtung gelaufen. Und wenn ich in diese Richtung marschierte, immer weiter, dann würde ich schließlich nach Betancuria gelangen. Es war der einzige Ort. Weit und breit. Doch sicher bin ich mir nicht. Dafür floss im Hause der Prinzessin Arminda zu viel Bier.
Als ich in der Abendämmerung die Wirtschaft betrat, saßen an der Bar drei Männer, und es ist überhaupt nicht unwahrscheinlich, dass sie noch heute dort sitzen: Juan, Maxi und Juanito. Juan war der Besitzer des Gasthauses. 60 Jahre alt, kahles Haupt, durchdringende Augen. Ein Charaktergesicht. Maxi war Ziegenhirte und einer der besten und letzten Käser der Insel. Zwischen beiden saß Juanito. Er gehörte nicht nur zur Familie, was für sich genommen noch nichts Besonderes dargestellt hätte, denn auf Fuerteventura stammte letztlich jeder irgendwie von jedem ab. Er war auch Juans direkter Nachbar. Und davor der Nachbar von Juans Vater. Und davor der seines Großvaters. Er wohnte dort seit 97 Jahren! Und deswegen sah man ihm vieles nach. Da waren etwa die Nächte, in denen Juanito ein Dutzend Gläser Rotwein leerte und zum Hinunterspülen noch einmal eben so viele Biere. Danach stellte er sich mühsam auf und begann in den Hosentaschen zu nesteln. Die Hosen waren alt und bodenlos, und bis er schließlich auf Geld stieß, zogen noch drei, vielleicht vier Rum ins Land. Endlich! 62 Cents. So viel hatte er dabei. Stolzer Brust zählte er sie auf den Tresen. Zehn. Zwanzig. Vierzig. Fünfzig. Fünfundfünfzig. Siebenundfünfzig. Neunundfünfzig. Sechzig. Einundsechzig. Zweiundsechzig. Das Ganze dauerte so lange, dass selbst der Barmann daran zweifelte, ob umstandslos bezahlte 35 Euro einen größeren Wert gehabt hätten.

Noch besser waren freilich jene Nächte, in denen Juanito mehr Geld dabei hatte. Eine ganze Handvoll Kleingeld, ein knittriger Schein. Alles in allem vielleicht sechs Euro. Er legte sie vor sich aus, plauderte eine Weile, leerte ruhig das letzte Glas. Und dann schaute er zurück zur Theke, fand seine Münzen und freute sich, dass das Geld nicht nur gereicht, sondern es obendrein Wechselgeld gegeben haben musste. Er steckte die sechs Euro wieder ein und ging.
Diese drei saßen also an der Bar. Vor jedem ein Glas Tropical, so nannte sich das heimische Bier, und in jedem Glas zwei Gurkenscheiben. Sie würden die Sache schmackhafter machen, fruchtiger, leichter verdaulich. Und sie belebten die Libido. Aber das Beste, so beteuerten sie: Man könne die ganze Nacht nachschenken und die Gurke verlöre nichts von ihrem Geschmack. Ich sollte es unbedingt probieren.

Kann man so ein Glas ausschlagen? Nach dem ersten Bier stimmte ich ihnen zu: Es gab eine subtile, fruchtige Note, die sich da zu Hopfen und Malz gesellte. Nach dem dritten hörte ich auf mich zu fragen, ob die Alten ihrem Bier aus kulinarischen, medizinischen oder aphrodisischen Gründen Gemüse beimischten. Nach dem achten war klar: Die Gurkenscheiben verloren nichts von ihrem Geschmack. Und beim zehnten erfuhr ich, dass das, was man bei uns gemeinhin als Koitus bezeichnet, auf Fuerteventura Pepinasso genannt wird. In etwa: die Riesengurke.
 
Ferkeleien an Bord
Frachtschiff
 
Kein Zoll. Kein Stempel. Keine Gepäckkontrolle. Nur ein Typ mit einem Pott Kaffee in der Hand und einem zweiten, voller Zigaretten, der vor ihm auf dem Fernseher steht. Alle zwei Minuten zieht er eine Fluppe heraus. "Das Boot steht dahinten", sagt er ohne aufzuschauen, so als würde er mich zum Bus schicken. Ein Bus mit 126 Metern Länge, der gerade auf seine Ladung wartet. Auf 300 Container und auf mich. Unser Ziel: Die Kanarischen Inseln, neun Seetage entfernt, und ein Lotse bringt uns im Morgennebel auf Kurs. "Möchten Sie einen Kaffee?", fragt ihn der Kapitän. "Ja, gerne. Mit einem Schuss Milch, bitte, und etwas Zucker." Der Kapitän rünft die Nase. Der Ekel steht ihm ins Gesicht geschrieben. Der Stolz auch. "Café español o café de porquería?" In etwa: "Spanischen Kaffee oder Ferkeleien?"
Damit ist alles gesagt. Es wird eine gute Fahrt. Ich weiß es. Und hier ist, warum. Erstens: Spanier sind ein rassiges Völkchen. Zweitens: Es gibt nur noch zwei Schiffe in der spanischen Flotte, die auch tatsächlich von Spaniern besetzt sind. Und das auch nur, weil die Reedereien sich davor scheuen, den Seeleuten ihre im Fall der Kündigung hohen Abfindungen zu zahlen. Drittens: Dies ist eines der beiden Schiffe!
Konkret bedeutet dies: Die leiblichen Genüsse kommen nicht zu kurz. Und dafür sorgt Fernando. Aus Galizien. Runde Brille, warmes Lachen und gebaut, als könne er ein Rind nicht nur zerlegen, sondern auch verdrücken. Das trifft sich natürlich herrlich, denn außer dem Lauschen der Wellen, dem Schauen von Sonnenuntergängen und dem Verschlingen von Büchern gibt es nicht viel zu tun. Also isst man. Am Morgen Spiegeleier. Mindestens drei. Mit dicken Lagen Schinkenspeck, gewendet, gebadet und schließlich ertränkt in Olivenöl. Zum Mittag, das ist nur vier Stunden später, türmen sich Paella, Rindersteaks und Goldbrassen vor einem auf. Abgerundet von frittiertem Spritzgebäck mit einem Überzug aus Schokolade. Und kaum hat auch deren Verdauung begonnen, geht es schon in die letzte Runde des Tages: das Abendessen. Eintöpfe, Empanadas, Garnelen in Knoblauchsoße. Eisbecher. Sahnetorte. Vanillepudding. Wer will eine Insel da noch von der Luft aus betreten? Und drei Espressi obendrauf. Natürlich keine Ferkeleien!
 
Fortsetzung folgt.
 
 
 


 

         
     

Jetzt Fan werden!
Und schreib einen Kommentar.

ADVENTURE-magazin.de auf Facebook
 
         
         
      Kanaren
     
Größere Kartenansicht 
       
      André Schumacher  
      Sein Ziel ist ein tiefgründiges, hochwertig fotografiertes und sinnliches Porträt der Inseln. Der Fokus liegt dabei nicht auf dem in der öffentlichen Wahrnehmung weit verbreiteten Erbe des Baubooms der 60´er und 70´er Jahre. Sondern vielmehr auf Land und Leuten. Auf einer Identität der Kanaren, die sich in grandiosen Landschaften und ihren beizeiten kuriosen Bewohnern manifestiert.  
         

 

 

   
  © ADVENTURE-magazin.de
E-mail an uns   |  Mit uns werben  |  Impressum  |