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Im Reich der glühenden Felsen

Der Korse Osolemirnix beschreibt in Asterix auf Korsika seine Heimat wie folgt: „Dieser hauchzarte Duft nach Thymian und Mandeln, Feigen und Kastanien ....und dieser Hauch von Kiefer, diese leichte Andeutung von Beifuß, diese Ahnung von Rosmarin und Lavendel ...“ Uns liegt stattdessen der schwere Dieselgeruch der Fähre, die uns in 8 Stunden von Savona nach Bastia brachte, in der Nase.

Nach der Hafenausfahrt folgen wir den Hinweisschildern zum Cap Corse. Dabei lassen wir die Hektik in der frühmorgendlichen zweitgrößten Stadt der Insel hinter uns. Die herrliche Küstenstrasse D 80 tangiert dabei winzige Küstenorte, die sich inmittten üppiger Vegetation mit malerischen Badebuchten abwechseln. Wie zwei überdimensionale Buckelwale ragen die toskanischen Inseln Capraia und Elba aus dem Morgendunst des funkelnden Meeres. Das verwinkelte Fischerdorf Erbalunga mit seinen schiefergedeckten Fischerhäuschen und dem malerischen Hafen mit Naturstrand lädt uns zu einer willkommenen Rast ein. Bekannt ist der Ort durch die alljährlich am Karfreitag stattfindende Prozession „La Cerca“, bei der die Teilnehmer die etwas unheimlich wirkenden Kapuzengewänder tragen.

Die Bewohner des Cap Corse unterscheiden sich erheblich von den übrigen Korsen, erinnern sie doch in Sprache und Mentalität an die Toskaner. In früher Zeit betrieben sie regen Handel mit französischen und italienischen Hafenstädten, in die sie Bodenschätze und Mehl brachten. Heute gedeihen am Cap Corse die besten Weine der Insel, das traditionelle Winzerdorf Patrimonio ist unter Weinkennern berühmt.

In Macinaggio legen wir eine erste Rast ein. Am Jachthafen, in dem 500 Sportboote Platz finden, schmeckt der Cafe au lait vorzüglich. Die kleine Bucht galt schon in der Antike als guter Ankerplatz. Da er Genua am nächsten liegt, unterhielt die Stadtrepublik dort eine Garnison. Pasquale Paoli überwältigte sie 1761 und schuf sich so eine Flottenbasis, da er Bastia nicht erobern konnte – wohl aber von dort aus 1767 die toskanische Insel Capraia. Damit brach er Genuas Vorherrschaft zur See.
Der Kellner des kleinen Bistros, in dem wir unser Petit Dejeuner genießen empfiehlt uns als Geheimtipp die Badebucht von Tamarone. Eine staubige und teilweise steile Piste unterhalb des Genuesenturms, der in frühen Zeiten den Hafen von Macinaggio bewachte führt zu diesem Traumstrand. Wir wechseln in Windeseile die Bikerklamotten mit den Badesachen und erfreuen uns an der angenehmen Kühle des kristallklaren Wassers.

Doch auch das Hinterland des Cap Corse hat einiges zu bieten. Auf einer Anhöhe liegt das kleine Dorf Tormino, von wo aus sich ein herrlicher Blick auf die Spitze des „Fingers von Korsika“, wie das Cap auch genannt wird, bietet. Die Weinberge auf den umliegenden Steilhängen bringen einen ausgezeichneten Muskateller hervor. In der Nachbarschaft liegt terrassenförmig das Dörfchen Rogliano. Früher war der Ort sehr wohlhabend, wovon heute noch ein Kloster, eine Burgruine, ein Genuesenturm sowie viele Kirchen zeugen. Nach einem kleinen Abstecher über das winzige Fischerdorf Barcaggio entdecken wir am Col de la Serra die einzige erhaltene Mühle Korsikas, die Moulin Mattei. Wir bewältigen eine kurze und knackige Schotterauffahrt und schon stehen wir auf der windgebeutelten Anhöhe mit Blick auf die vorgelagerte Leuchtturminsel Giraglia. Unterhalb des kleinen Passes liegt an der Westküste des Cap Corse der kleine Fischereihafen Centuri-Port. Er zählt heute zu den schönsten Korsikas und ist der einzige zwischen Saint-Florent und Macinaggio. Im 13. Jahrhundert starteten die Genuesen von Centuri, um Calvi zu gründen. Heute ist Centuri das Zentrum der Langustenfischerei auf Korsika. Um die kleine Hafenbucht drängen sich die meist mit grünem Serpentinschiefer gedeckten Häuser.

Inmitten üppiger mediterraner Vegetation windet sich die D 80 in unzähligen Kurven an der Westküste entlang. Winzige Badebuchten laden uns dabei zu einer kleinen Rast ein. Mittelalterlich geprägt ist das nur 70 Einwohner zählende Nonza. Mittelpunkt des Ortes ist der zinnenbewehrte Genuesenturm, der Schauplatz einer ebenso heldenhaften wie listigen Tat des Capitano Casella war. 1768 belagerten französische Truppen den Turm von Nonza. Der alte Giacomo Casella, ein Hauptmann von Pasquale Paoli hielt als letzter die Stellung, indem er sich, so die Überlieferung, folgender List bediente: Mittels eines Transmissionssystems, bestehend aus einem Bindfaden, schoss er gleichzeitig aus allen Gewehren, die seine geflüchteten Soldaten zugelassen hatten, und ergab sich erst, nachdem die Franzosen ihm und seinen vermeintlichen Truppen freien Abzug zugesichert hatten. Auch als die Belagerer erkannten, dass sie es nur mit Casella zu tun hatten, ließen sie ihn in Ehren gehen.

Bekannt wurde Nonza auch durch die junge Julia, eine der drei schutzheiligen Korsikas. Die Legende erzählt, dass hier die Märtyrerin Julia während der Christenverfolgungen unter Kaiser Diokletian im Jahre 303 gefoltert und getötet wurde. Daraufhin soll an diesem Ort eine wundertätige Quelle entsprungen sein. In Nonza erinnert die Kirche Sainte-Julie aus dem 16.Jahrhundert mit dem barocken Marmoraltar an die Heilige. Bei Saint Florent endet unsere Fahrt um das Cap Corse. Hinter dem Ort mit der pittoresken Altstadt ändert sich schlagartig das Landschaftsbild.

Das `Desert des Agriates` ist eine mit Maccia überwucherte Steinwüste. Von der bis auf 400 Meter hohen Einöde bieten sich uns eindrucksvolle Blicke. Das felsig-karge, mit duftender Macchia bewachsene ehemals fruchtbare Ackerland, wurde einst als `Kornkammer Genuas` bezeichnet.
Echten Offroadspaß erleben wir auf den Pisten, die zu den Traumstränden von Saleccia und Malfalco führen. In Saleccia wurden übrigens die Landungsszenen des berühmten Kriegsfilms „Der längste Tag“ über die Landung der Alliierten im Juni 1944 in der Normandie gedreht. Olivenhaine, Weinberge, Mandel - und Orangenbäume – die Balagne Fertile nordöstlich von Calvi gilt als Garten Korsikas. Vom fruchtbaren Hinterland profitieren die drei Küstenorte Calvi, Algajola und L`lle Rousse als Handelszentren. Vom Reichtum vergangener Tage zeugen schön verzierte Häuserfassaden und Kirchen.

Eine wahre Traumroute durch die Balagne ist die „Route des Artisans“. Entlang der D 71 kleben die kleinen Dörfer wie Schwalbennester an den Felsen. Der vielleicht schönste Ort der Balagne ist Speloncato. Der Name stammt von den Höhlen im 550 Meter hohen Felssporn, auf dem der Ort erbaut wurde. Wir parken unsere Enduro bei dem alten Brunnen in der Dorfmitte und schlendern durch die verwinkelten engen Gässchen, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.
Die bei Sonnenuntergang dramatisch leuchtenden Rottöne der vorgelagerten kleinen Insel de la Pietra gaben dem Hafenstädtchen seinen Namen: L`lle Rousse. Bereits die Römer benutzten den natürlichen Landeplatz Rubico Rocega – roter Fels – genannt, später errichteten die Genuesen einen ihrer zahlreichen Wachtürme auf der Ille de la Pietra. Für die eigentliche Stadtgründung 1758 aber ist Pasquale Paoli verantwortlich, der damit den genuatreuen Städten Calvi und Algajola wirtschaftlich und militärisch Konkurrenz machen wollte. Die Hafenstadt erweckt infolgedessen mindestens im Zentrum den Eindruck, am Reißbrett entworfen zu sein, was sie von anderen korsischen Städten erheblich unterscheidet.

Wir verlassen die Küste über die D 151, die am Ortsende von I`lle Rousse steil ansteigt. In Aregno erblicken wir das sakrale Schmuckstück der Balagne, die Eglise de la Trinite. Die aus dem 12. Jahrhundert stammende romanisch – pisanische Kirche erfreut unser Auge mit einer schönen polychromen Granitmauer in warmen gelbbraunen Farbtönen und einer mit eindrucksvollen archaischen Skulpturen verzierten Fassade. Ein besonderes Highlight der Balagne ist Sant`Antonino. Wie ein Adlerhorst klebt der kleine Ort auf einem Felsen. Erbaut als Fluchtburg vor den Sarazenen im 9. Jahrhundert, bot der Ort den Bewohnern Schutz wenn die Piraten die Küstenorte plünderten. Wir stellen unser Stollenroß an der Stadtmauer ab und erkunden Sant`Antonino zu Fuß. Enge Gassen, steile Treppen und gewölbte Durchgänge führen zu einer malerischen Privatkapelle am Felsrand. Der Rundblick auf das Regino-Tal, die hügelige Balagne, das Hochgebirge und das tiefblaue Meer ist beeindruckend. Richtig einsam ist der Weg, der uns nach Montemaggiore bringt. Nur ein paar Kühe stehen auf der Straße und erhöhen mit ihren Hinterlassenschaften unsere Aufmerksamkeit. In dem kleinen Ort über dem Fiume – Secco – Becken hat einer der größten Verführer der Operngeschichte seine Wurzeln. Die Vorfahren des 1627 in Sevilla geborenen Don Miguel de Leca y Colona y Magnara y Vincentello, besser bekannt als Don Juan, stammen aus Montemaggiore.

Auf eine weitere Schutzheilige Korsikas treffen wir in Calenzana. In der Kapelle Ste-Restitute ruhen die Reliquien der heiligen Restituta. Am Ostermontag werden die Statue und die Reliquien der Heiligen in einer Prozession zur Kirche St.-Blaise getragen. Einen zweite Prozession bringt sie am Sonntag nach dem 21.Mai wieder dorthin zurück. Bei Galeria erreichen wir wieder die Westküste. Der Col de la Croix bietet mit seinen 272 Metern über dem Meer berauschende Ausblicke auf die felsige La Scandola. Die aus mächtigen Porphyr- und Granitbänken bestehende Halbinsel, beeindruckt uns mit riesigen rötlich schimmernden, schroff ins Meer abfallenden Felsen, die jeden Landungsversuch vom Meer aus scheitern lassen. Mehr Enduropiste als Strasse ist die D 81, die uns in Richtung Süden leitet. Riesige Schlaglöcher, dazu allerhand Geröll und Sand erfordern volle Konzentration von uns. Erst kurz vor Porto wird die Asphaltdecke wieder ihrem Namen gerecht und wir wedeln entspannt durch das Labyrinth der unzähligen Kurven.

Einen weiteren Genuesenturm finden wir auf dem Felsen vor Porto. Seit dem 15. Jahrhundert bewacht der Turm den Hafen, von dem aus das Holz des Foret d`Aitone verschifft wurde. Die Bank des heiligen Georg vertraute das Land 1546 Domenico Giustiniani an und erteilte ihm ein Exklusivrecht zur Korallenfischerei mit der Auflage, das Porto-Tal zu bewalden. Unter dem Bauwerk mit dem quadratischen Grundriss breitet sich der Golf von Porto aus. Das Farbenspiel der Felsen, das azurblaue Meer und die Vegetation bilden einen faszinierenden Kontrast. Die UNESCO zählt den Golf aus gutem Grund zu den schützenswerten Naturdenkmälern der Welt.

Es ist schon spät am Tag, als wir zum absoluten Highlight unserer Tour aufbrechen. Die kurvenreiche Strasse windet sich südlich von Porto hoch in das Reich der Calanche. Willkommen in Märchenwald aus Stein! Bizarre Felsformationen, monströse Gebilde roten Porphyrgesteins in einer Landschaft mit Flüssen und grünen Weiden. Wind, Sonne und Regen formten aus den Gesteinsschichten diese eigenartigen Gebilde mit Löchern und Spalten. Bei einigen kann man sogar menschliche und animalische Züge erkennen. So erklären sich deren Bezeichnungen wie „Bischof“, „Adler“, „Schildkröte“ oder „Hundekopf“. Der Legende zufolge soll die Felsenwelt ein Werk des Teufels sein. Dieser habe sich in ein Hirtenmädchen verliebt, wurde zu seinem Leidwesen aber zurückgewiesen. Der Teufel habe daraufhin vor Wut die bizarren Felsformationen aus dem Boden gestampft.

An einer kleine Parkbucht stellen wir unser Motorrad ab und verweilen in der Abgeschiedenheit der Landschaft. Nur das leise leichte Knacken des sich abkühlenden Boxers durchdringt die Stille. Die Sonne wirft das letzte Licht des Tages auf die nun in weichem Orange glühende Landschaft.
Die wohl eindrücklichste Beschreibung der Calanche, wie wir sie jetzt erleben, liefert Guy de Maupassant 1884 in „Une vie“: „Diese verblüffenden Felsen schienen wie Bäume, Pflanzen, Tiere, Gebäude, Menschen, Mönche in Kutten, gehörnte Teufel und Riesenvögel, ein ganzes furchtbares Volk, eine durch den Willen eines exaltierten Gottes versteinerte Ansammlung von Alpträumen.“

Text und Fotos: Timo Rokitta



Korsika via Google Earth:



Guide Korsika
info

ALLGEMEINE Informationen über Korsika finden sich unter Wikitravel.
Korsika ist heute eine sogenannte dezentralisierte Provinz Frankreichs. Wie ein Gebirge erhebt sich die 9000 qkm große Insel inmitten des Mittelmeeres. Die Mehrzahl der knapp 250000 Einwohner verteilen sich meist auf die großen Küstenstädte wie Ajaccio und Bastia. Alpine Gipfel und feine Sandstrände liegen oft nur wenige Stunden auseinander. Durch den wohl nie endenden Drang nach Unabhängigkeit haben sich die Korsen zu einem stolzen aber denoch gastfreundlichen Volk entwickelt.

flug ANREISE Zahlreiche Fähren verbinden Korsika mit den Festland. Von Frankreich legen die Schiffe in Marseille, Toulon oder Nizza ab. Von Italien starten die Fähren von Genua, Savona, und Livorno. Die Überfahrten dauern je nach Verbindung zwischen ca. 4 und 8 Stunden.
REISEZEIT Die idealen Reisemonate sind Mai, Juni und September. Besonders von der im Frühjahr blühenden Macchia geht ein ganz besonderer Reiz aus. In den Sommermonaten ist die Insel von französischen und italienischen Touristen überlaufen.
literatur KARTEN LITERATUR Empfehlenswerte Karten bieten Michelin (1:200000) oder Kümmerly+Frey (1:250000). Umfassende Informationen gibt es im Reiseführer von Baedeker (ISBN 3-87504-538-6) mit dem Titel „Korsika“ nachzulesen. Auch gut und leicht zu verstauen ist der Polyglott (ISBN 3-493-58800-3) „Korsika“, der zusätzlich mehrere Rundtouren beschreibt.
UNTERKUNFT Rund 150 Campingplätze sind über ganz Korsika verteilt. Hotels aller Preisklassen sind besonders in den Küstenregionen ausreichend vorhanden. Die Preise ziehen allerdings in der Hauptsaison Juli und August erheblich an. Außerdem kann es in dieser Zeit auch zu Engpässen wegen des Ansturms der französischen und italienischen Touristen kommen.


 


   
 
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