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osttirol
Osttirol

Staunen, auftanken, abschalten

Dort oben, im urwüchsig abgelegenen Villgratental, wo Einheimische und Urlauber herumkraxeln, wo Phantasie und Aberglaube noch die Herzen und Köpfe der Menschen beseelen, in diesem Hochtal mit fast urtümlicher Schönheit, kämpft sich an diesem Herbstmorgen die Sonne blassgelb durch die Wolkendecke. Da bin ich mit Sepp, einem erfahrenen Bergführer unterwegs ins seitliche Winkeltal. Und Sepp, der alte Fuchs mit seinen 85 Lenzen auf dem Buckel, kennt sein Terrain wie seine Westentasche. Und auch die Geschichten und Anekdoten, die sich um dieses Tal ranken. Schmunzelnd erzählt er mir dann auch von einer. Wie sie damals Anfang der 1960er Jahre abends hier hinauf gepilgert sind zu diesen freistehenden Hütten. Und wie es dann angefangen hat zu spuken. Da gingen in der einen und anderen Hütte blasse Lichter an und seltsame Feen tanzten als Schatten vor den Fenstern. Angstvoll sind die Neugierigen dann nach Hause gezogen. „Nur,“ so lacht der alte Fuchs, „als die Zuschauer zu frech und aufmüpfig wurden, war der Spuk vorbei. Und bis heute haben sie nicht herausbekommen, wer sich diesen Scherz erlaubt hat.“

In der Zwischenzeit sind wir auf der Volkzeiner Hütte auf 1887 Metern angekommen und freuen uns auf leckeren, frisch zubereiten Kaiserschmarrn. Zum Abschied gibt’s dann noch einen zünftigen Obstler, bevor es hinaus geht in die Lienzer Dolomiten, die noch bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die Unholden hießen und jetzt stolz mit ihren fast 3000 Metern in der goldenen Nachmittagssonne über uns wachen. Viele Gipfel davon tragen jetzt schon weiße Zuckerhauben.

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Kutschfahrt zum Aignerbadl von Strassen nach Abfaltersbach

Talabwärts, wo die alten Bauernhöfe mit ihren Holzbalkonen und dem dazu gehörigen Geranienschmuck an den Berghängen zu kleben scheinen, werden wir nach einem erholsamen Spaziergang von Hans mit seinem Wagen abgeholt und es geht ins Innervillgraten nach Kalkstein zum Bergfriedhof. „Hier an diesem Grabe“, erzählt er, „ habe ich der Beerdigung des Walder Pius beigewohnt. Sie haben den Pius, einen jungen wilden Raufburschen, erschossen. Der achte Schuss hat ihn getroffen. Von hinten, tödlich. Ihn, den Wilderer, niedergestreckt durch einen Jäger hoch oben in den Bergen. Bei der Beerdigung schworen seine Brüder – noch vier weitere raue Gesellen - Vergeltung und verprügelten kurzum den Pfarrer am offenen Grab, der es wagte, die Jäger in Schutz zu nehmen.“

Später, am Abend unten in Strassen im Pustertal, in einem der ältesten historischen Herbergen Tirols, in gemütlicher Runde in den dicken Mauern der guten Stube des „Strasserwirt“, setzt dann auch die Wirtin Elisabeth Bürgler mit dem Raufbold Pius einen drauf. Denn den kennt sie aus ihrer Jugendzeit. Als sie damals im elterlichen Hause hier in dieser Schankwirtschaft als zierliches Mädchen gekellnert hat und völlig verschüchtert mit ansehen musste, wie der Pius mit seinen vier Schlägerbrüdern die Gäste krankenhausreif geprügelt und alles kurz und klein geschlagen hat. „Und wie die Mutter dann den Raum betreten hat,“ erzählt sie voller Stolz, „ da war alles muxmäuschen still. Da sagte der Pius nur: Frau – so redeten sie meine Mutter immer an – Frau, morgen bezahlen wir alles. Und am nächsten Tag kamen sie und legten der Mutter das Geld auf den Tresentisch.“ Das war kurz vor seinem Tod.

Nun, die Zeiten sind über ein viertel Jahrhundert vorbei. Heute sucht man sich den Tisch in diesem mit viel Feingefühl renovierten Vier-Sterne-Genießerhotel aus, der einem gefällt. Nicht wie früher, als nach jedem sonntäglichen Kirchgang jede Zunft ihren eigenen Tisch hatte. Das war heilig, da hatte zum Beispiel ein Arbeiter am Tisch der Bauern nichts verloren. Das gab mordsmäßigen Ärger.

Den habe ich am nächsten Morgen beileibe nicht. Trinke meinen leckeren Morgenkaffee auf und schlendere in die Küche, wo ich mit Werner Gander, dem Küchenchef des Hauses, verabredet bin. Er absolviert ein unverwechselbares und außergewöhnlich sensibles kulinarisches Angebot. Wie die leckeren Osttiroler Schlipfkrapfen, deren Zubereitung von ihm gerade vorgenommen wird. Da rollt er den Teig, den er vor einer Stunde geknetet hat, dünn auf einem Blech aus und stülpt mit einem Glas runde Scheiben aus. Formt mit einem Teelöffel kleine Stückchen des großen Teigklumpens, den er zuvor mit in Butterschmalz angerösteten Zwiebeln vermischt hat und legt diese kleinen Stückchen auf jeweils eine Scheibe. Mit geschickten Fingern klappt er diese Teigplättchen auf seiner Handfläche zusammen und verschließt die Ränder. Danach wandern sie kurz ins heiße Wasser. Derweil erzählt er mir, dass er die bodenständige, traditionell verfeinerte Regionalküche mit guten, frischen einheimischen Produkten und auch mal die eine oder andere kulinarische Gratwanderung liebt.

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Das unter Denkmalschutz stehende Aigner Bad in Abfaltersbach von 1772, in dem man noch heute nach alter Sitte in einer Lärchenbadewanne baden kann, wie das seinerzeit die Feld- und Waldarbeiter nach getaner Arbeit üblich war.

Nach einigen köstlichen Geschmacksproben verlasse ich sein Reich und komme meiner Verabredung zur Fußreflexzonenmassage im Hause nach, bevor ich ganz standesgemäß von Kutscher Gottfried und seinem Ross Jessika gemütlich ins benachbarte Aigner Bad nach Abfaltersbach kutschiert werde. Dort nämlich, so habe ich erfahren, steht noch das einzige Tiroler Bauernbad aus dem Jahre 1772, in dem man sich nach getaner Feld- und Waldarbeit in wohlig warmem Heilwasser in einer Lärchenbadewanne entspannen konnte. Und so bekomme ich wie Generationen vor mir, die sich im Gegensatz zu mir nur mit Wasser waschen konnten, das sie zuvor auf dem Ofenfeuer erwärmt hatten, eine eigene kleine Kabine in diesem traditionellen Holzhaus. Was für ein Segen muss das damals für die hart arbeitende Landbevölkerung gewesen sein. Da steht bei meinem Eintreten in diesem kleinen, duftenden Raum vor dem kleinen Sprossenfenster eine Holzliege mit einem frischen, ausgebreiteten Handtuch, auf dem ich nach dem Bade ruhen werde. Zuvor aber schließe ich die Türe, entkleide mich, trete zur Holzwanne und schiebe den großen Holzdeckel nach vorne, damit ich ins wohlig warme Wasser steigen kann. Gelenkschmerzen, Rheuma und Ischias soll es heilen, denke ich und ziehe beim Hinsetzen auf den ungewohnten Holzboden den Deckel bis zum Hals zu mir zurück. Die Arme liegen derweil gemütlich auf dem Badewannenrand und ich genieße die absolute Ruhe. Und dann, im Halbschlaf, läuft noch einmal der Film vor meinem geistigen Auge ab von den wunderschönen alpenländischen Bauernhäusern, ich sehe die üppigen Geranien auf ihren Balkonen dort oben im Villgratental und über ihren Dächern nur noch die Berge und der gewaltige Alpenhimmel.


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Hotel Strasserwirt

Text und Fotos: Gert Krauskopf

Strassen / Osttirol

 
flug

ANREISE mit dem Auto: Von München A8 Richtung Rosenehim, Inntalautobahn bis Kufstein Süd (Vignettenfrei!), Kitzbühel, Paß Thurn, Felbertauern, Lienz nach Strassen (ca. 250 km ab München). Mit der Bahn: über München, Salzburg, Spittal/Drau, Lienz, Sillian, Strassen. Flugzeug ab Flughafen: Innsbruck 150 km, Klagenfurt 190 km, Salzburg 220 km, München 280 km.

hotels ÜBERNACHTUNGSTIPP
Hotel Strasserwirt, Familie Bürgler, A-9920 Strassen (Osttirol)
Telefon: +43 4846 6354, Fax: +43 4846 6354 – 55, www.strasserwirt.com
Angebote für den kommenden Winter: z.B. Weihnachten 4 Nächte ab 299 €,
7 Nächte ab 479 €, Winterimpressionen 3 Nächte ab 242 €, 5 Nächte ab 350 €, Sonnenträume 4 Nächte ab 267 €, Badltage 3 Nächte ab 222 €